Teil 1 - Die ganze Wahrheit über die Offensener Gänse (Chöse)

Die ursprüngliche Geschichte.

Gänse

Von dem Dorfe Offensen, das südlich vom eigentlichen Solling liegt, ist hartnäckig behauptet worden,
dass dort der Hafer früher mit dem Preinen (Pfriemen oder Ahle, wie sie der Schuster gebraucht) ausgerodet worden sei.
So klein, dünn und weit hätte der Hafer gestanden.

Offensen sei also im höchsten Grade kulturrückständig gewesen.

Da hat sich nun ein Bauernknecht aus Iber bei Einbeck, wo man in der Kultur schon weiter vorgeschritten war,
nach Offensen verheiratet und weit besseren Hafer geerntet, als die Offenser.

Mit dem Sied,

Gänseumzug

einer Sense, mit kurzem Baum, hat er ihn abgemäht,
während die Offenser noch immer mit dem Schusterpfriem rodeten.

Einmal nun, als er Mittag machte, hat der das Sied auf seinem Acker liegen lassen,
und es glänzte so in der Sonne, dass die Offenser, die da vorüberkamen,
meinen, es wäre ein Ungetüm, das den Hafer abfrässe.

Das ganze Dorf wurde alamiert, und da die Männer nicht zur Stelle sind,
kommen die Frauen mit Knüppeln heraus und schlagen auf das Sied los.

Es springt unter den Schlägen in die Höhe und dem Bauernmeister (heutiger Bürgermeister - Ortsvorsteher)
so in den Nacken, dass er daran gestorben ist.

Eine grosse Empörung bemächtigt sich des Dorfes, und zur Strafe dafür,
dass durch die Dummheit der Frauen der Bauernmeister sein Leben verlor,
sollen sie sich bei der Neuwahl nackend aufstellen.

Wer seine Frau von hinten erkennt, soll Bauernmeister werden.

Der Schweinehirt ("Swän")

Gänseumzug

hat nun seiner Frau ordentlich eins mit der langen Peitsche übergezogen, so dass sie gut gezeichnet ist.

"De Böuermester wäre eck!" sagte er sich von vornherein, und richtig, er wird's.

Darauf neue Empörung, und man schimpft die Frauen aus:
"Wenn je Fröuens nech säau ale Gäse west wören, härren weui keinen Swän taun Böuermestere kregen."

Klartext: "Wenn ihr Frauen nicht so alte Gänse gewesen wärt, hätten wir keinen Schweinehirten als Bauernmeister gekriegt."

Seitdem heißt man die Frauen von Offensen,
natürlich, wenn sie es möglichst nicht hören,
"de Offensenschen Gäse".

Teil 2 - Die ganze Wahrheit über die Offensener Gänse (Chöse)

Die bekanntere Göttinger Studentengeschichte

Gänseumzug 1938

Eine lustige Studentenverbindung aus Göttingen war einmal nach Offensen gekommen,
um festzustellen, was es dort mit den berühmten "Gäsen" auf sich hätte.

Eine große Zeche wurde gemacht, und als es ans Zahlen kam, banden die fidelen Brüder der Wirtin,
die allein zu Hause war, ein Tuch vor die Augen und sagten ihr, wen sie griffe, der müsse bezahlen.

Sie ging auch arglos auf den Spaß ein, die Studenten aber verkrümmelten sich und verschwanden, ohne bezahlt zu haben.

Nach langem Suchen glaubte sie endlich einen Studenten erwischt zu haben, der also nun bezahlen sollte.

Aber siehe da, es war ihr Mann, der vom Felde heimkam.

Von den Studenten keine Spur mehr.

Als der Mann den Sachverhalt erfuhr, schüttelte er nur mit dem Kopf und schalt seine Frau:
"Döu dumme Gas."

Nach einigen Tagen schickten die Studenten eine reichliche Summe Geld und schrieben auf den Postabschnitt

"Das ist für die Zeche, das ist für den Spaß, - und dat ist for de Gas!"

Dass die Offenser Bevölkerung Sinn für Humor und Verständnis auch für den Ulk der Studenten besitzt,
beweist ein damals im Orte umlaufender Vers:

Studenten, dat sind verdammt keine Engels.
Studenten, dat sind doch driewische Bengels.
Wei meint, dat se cherrn na Offensen choat,
weil man bei össek noch Spoaß verstaht.

Klartext:
Studenten, das sind verdammt keine Engel.
Studenten, das sind doch listige Bengel.
Wir meinen, das sie gerne nach Offensen gehen,
weil man bei uns noch Spaß versteht.

Rund um die Geschichte

Das Gasthaus Finger

Früher hat unser Ort wohl die meisten Gänse zum Weihnachsmarkt nach Göttingen geliefert.
Daher auch der Bekanntheitsgrad in Göttingen.

Wahrscheinlicher Gastwirt:
Albert Finger geb. 19.03.1856 - gest. 1887
(heute - Haus von Erika Müller).
Gastwirtschaft ist ca. 1928 - 1930 abgebrannt.

Gänse - Spezial

Umzug

Die große Gans wurde von einer Frau Wilhelmine Bode (geb. Siebert - 103 - Eintrag Ortssippenbuch Offensen) entworfen.

Die Gans stand lange Zeit im jetzigen Gemeindehaus.
Der Verbleib ist unklar.
Die Gans wurde sicherlich im Rahmen einer Aufräumaktion entsorgt.

Zeitzeugen wie Heinrich Wiegmann und Walter Wieneke berichteten, das sie die Gänse nach der Schule hüten mussten.

Die Tiere blieben flugfäig und nach einem kurzen Pfiff flogen sie in Richtung Schwülme.
Da die Tiere Gras fraßen, stand auch der Konkurrenzkampf mit den Schafhirten an.
Offensen besaß damals wohl an die 400 Schafe.

Von Walter Wieneke wurde berichtet, das die Gänse auch mal in eine Stromüberlandleitung geflogen sind, und damit einen Stromausfall in Offensen verursachten.
Die Gänse hatten den Unfall überlebt, aber das kommende Weihnachtsfest nicht.

Die meisten Gänse wurden einjährig zu Weihnachten verkauft und endeten sicherlich als Weihnachtsschmaus.
In ihrer recht kurzen Lebensphase wurden die Gänse auch mehrmals im Jahr gerupft.
Mann entfernte den Gänsen die Daunenfedern im Brustbereich.
Mit diesen Feder wurden Kissen und Bettdecken gefüllt.
Die heiratsfähigen Töchter kamen so zu Ihren Bettdecken, die zur Hochzeit als Aussteuer mitgegeben wurden.

Die im Dezember jeden Jahres durchgeführte Viehzählung ergab für das

  • Jahr 1952 - 141 Gänse
  • Jahr 1953 - 150 Gänse
  • Jahr 1954 - 134 Gänse
  • Jahr 1955 - 96 Gänse
  • Jahr 1956 - 114 Gänse
  • Jahr 1958 - 72 Gänse
  • Jahr 1959 - 73 Gänse
  • Jahr 1960 - 59 Gänse

Entnommen der Dorfchronik von Karl Brümmer.

Die Bilder zu der Geschichte wurden in Uslar gemacht.
Das zweite Bild von oben zeigt die Lange Strasse in Uslar.
Der Wagenführer ist Georg Mündemann (=1120.=Ortssippenbuch) aus Offensen.

Literatur zur Quelle der Geschichte:

Heinrich Sohnrey - Die Sollinger

Quelle der Geschichte:
Heinrich Sohnrey: "Die Sollinger" - Seite 367 bis 369.
Erschienen in Berlin 1924

Quelle der Ahnenforschung in Sachen Fingers Gastwirtschaft:
Klaus Kunze - "Ortssippenbuch Offensen" - Seite 82 bis 83.

Fund in Mannheimer Spracharchiv Oktober 2010

Das Gasthaus Finger

Dem Ortsheimatpfleger Dietmar Wieneke ist es am 11.10.2010 gelungen,
das verschollene Stück im Spracharchiv Mannheim zu finden.

Es wurde Ihm am 15.10.2010 unentgeldlich zugestellt.

Das Stück ist eine reine Tonaufnahme und wurde digital bearbeitet.
Es liegt in einer bestechend guten Qualität dem Ortsheimatpfleger vor.

Dank dafür nach Mannheim.

Das plattdeutsche Theaterstück - De Offensche Chöse - März 1956

 1956 Schauspieler Offenser Choese

Zu der Wirtshausgeschichte

wurde von dem Lehrer Karl Brümmer das plattdeutsche Theaterstück - De Offensche Chöse - verfasst.
Bei der Generalprobe am 04. März 1956, in der alten Schule (jetziges Gemeindehaus), wurde auf Veranlassung eines Herrn Professor Heinrich Wesche (1904 - 1978) gemacht.
Professor Heinrich Wesche war vom „Niedersächsischen Wörterbuch“ in Göttingen; die Aufnahmen von der Generalprobe wurden von eigenen Toningenieuren und Technikern des damaligen Deutschen Spracharchivs in Braunschweig mit eigenem Übertragungswagen aufgenommen.
Neben Professor Wesche war noch der Mitarbeiter Dr. Peter Seidensticker beteiligt.
Die Techniker kamen mit zwei VW-Bullis angefahren und hatte schon eine ausfahrbahre Antenne, so Zeitzeuge Willi Schaper aus Ahlbershausen.

Die zwölf Schauspieler/innen:
  • Wirtin / Krügersche - Elsa Wahmke
  • Enne / Tochter - Gerda Recke
  • Gastwirt Orich (August Finger)- Heinrich Laspe
  • Mergelfuhrmann Christian - Friedrich Klinge
  • Mergelfuhrmann Fritze - August Schaper
  • Student - Eberhardt von Rabenhorst - Robert Wieneke
  • Student - von Knoben - Karl Rohrig
  • Student - Bierkamp - Arthur Neumann
  • Student - Lauenstein - Willi Schaper
  • Student - von Seelen - Walter Siebert
  • Student - Rustemeier - Heinrich Lessner
  • Postbote Karl - Arnold Neumann

In der mittleren Reihe sind noch die Organisatoren Richard Wahmke, Lehrer Karl Brümmer und Lehrer Müller zu sehen.

Die Namen der Studenten wurden den Studentenschauspielern willkürlich zugeordnet, da es keine Aufzeichnung und vorhandene Erinnerung gibt.
Sicher ist nur, wer bei den Studenten mitgespielt hat.
Das sieht man anhand der Kostüme.

Hier gehts zum Hörspiel -
De Offensche Chöse -

Im Rahmen des Projekts - Rettet das Offenser Plattdeutsch wurde freundlicherweise vom Staatsarchiv Mannheim die Freigabe zur Veröffentlichung des Offenser plattdeutschen Theaterstückes
- De Offensche Chöse - von 1956 erteilt.

Mehr zur Rettung...
des Offenser Platt

Hier gehts zum...
Spracharchiv Mannheim