Spinnen und Weben unserer Vorfahren
nach A. Riemenschneider im Schoninger Dorfbuch 1961.
In alten Zeiten gab es hier im Solling nur wenige Handelswege, so dass nur selten Händler
in die abgelegenen Ortschaften kamen.
Da war jeder Hausvater auf sich selbst gestellt.
Es musste nicht nur die Nahrung für die Familie beschafft werden, sondern auch Kleidung.
An Stelle der Tierfelle traten schon frühzeitig Erzeugnisse aus Wolle und aus Flachs.
Die anfangs nur mit der Hand gedrehten Fäden wurden bald mit Hilfe sich drehender Spindeln
hergestellt.
Ein großer Fortschritt war das mit dem Fuße tretbare Spinnrad, wie es bis zum 1.Weltkrieg
in jedem Hause noch benutzt wurde.
Um die Wolle der Schafe fürs Spinnen vorzubereiten, musste sie gewaschen und gekämmt werden.
Nur dann konnten die Fäden schön glatt und die schlechten und kurzen ausgeschieden werden.
Die Arbeit des Kämmens wurde von gelernten Wollkämmern mit besonderen Geräten im Hause des
Wollbesitzers ausgeführt.
Diese Wollkämmer waren fast alle Handwerker, die im Winter ohne Arbeit waren.
Durch das Wollkämmen brachten sie sich gut über die sonst hungrigen Monate hinweg.
Um die Wollsachen farbig zu machen, vor allem blau, färbte man die Wolle selbst.
Dazu wurde Indigo in menschlichem Urin aufgelöst, die Wolle in einem großen irdenen Topf
gedrückt und mit der Lösung übergossen bis alle Wolle damit bedeckt war.
Dieser Topf wurde zugedeckt in den warmen Misthaufen gestellt und vollständig mit Dung bedeckt.
Nach einer bestimmten Zeit war die Wolle blau geworden: die Färbung war fertig und dauerhaft.
Neben dieser billigen Hausmacherfärberei gab es auch ein Färberhandwerk,
das im Solling noch vielerorts bis 1914 betrieben wurde.
(Siehe die Druckstöcke der Blaufärberei Hoppe im Uslarer Heimatmuseum).
Wesentlich schwieriger war die Vorbereitung der Flachsfaser zum Spinnen.
Ungefähr bis 1900 war es im Solling üblich, dass jeder Haushalt den Flachs anbaute,
deren Ertrag zur Ergänzung des Leinenbedarfs nötig war.
Um eine saubere Flachsernte zu haben, musste das Feld von Unkraut frei gehalten werden.
Es wurde abgeerntet, bevor die Samenkapseln reif waren.
Dadurch gewann man eine feinere Faser.
Aus diesem Grunde musste die Leinsaat aus dem Auslande, besonders aus dem damals russischen
Ostseeprovinzen eingeführt werden (1790).
Das Kurfürstentum Hannover musste für die Einfuhr von 9 720 Zentnern 200 000 Taler ausgeben.
Diese Menge Saatgut gibt uns einen Begriff von dem Umfang des Flachsanbaus.
So belief sich um 1840 die Gesamtausfuhr von deutschen Leinen, u.a. nach Übersee
auf mindestens 16 Mill. Taler.
Beim Ernten des Flachses wurden die Pflanzen mit der Hand ausgezogen
und in kleine Bündel gebunden.
Das war Frauenarbeit.
Dabei wurde auch mal ein Schnaps eingeschenkt, um die Stimmung bei der Arbeit zu heben.
War alles eingebündelt, so wurde der Flachs auf den Wagen geladen und nach Hause gefahren.
Es war gegen die Sitte, dass sich die Frauen auf das Flachsfuder setzten.
Taten sie es doch, so mussten sie es sich gefallen lassen, dass sie bei der Fahrt
durchs das Dorf häufig mit Wasser begossen wurden!
Auf der Scheune zu Hause wurde abgeladen.
Quer über die Scheune war in 1 m Höhe ein Tannenstamm
eingeklemmt, auf den ein etwa 1 m langer Eisenkamm saß, der etwa 30 cm lange Zinken hatte.
Durch diesen Kamm wurde nun der Flachs gezogen, um ihn von den Samenkapseln zu befreien.
Der aus den getrockneten Kapseln gewonnene Leinsamen wurde außer den benötigten Saatgut
zur Ölmühle gebracht.
Dieses Leinöl diente bis zur Einführung des Petroleums zur Füllung der Öllampen,
die in Haus und Stall gebraucht wurden.
Die Flachsbündel brachte man in die " Rotten".
Das waren etwa 1 m tiefe Erdgruben mit stehendem Wasser.
In diese Gruben wurden die Flachsbündel gepackt und so beschwert,
dass sie ganz von Wasser bedeckt waren.
In dem stehenden Wasser fingen die Pflanzen bald an zu faulen, was ja beabsichtigt war;
denn erst durch diesen 8 - 10 Tage dauernden Vorgang war es nachher möglich,
die wertvollen Flachsfasern, denen das Rotten nichts schadete, von dem holzigen Stängel
zu lösen und zu trennen.
Die ausgewaschenen Bündel wurden auf dem Felde getrocknet und bis zur Weiterverarbeitung
auf den Haus- oder Scheunenboden gebracht.
Wenn die Außenarbeit es erlaubte, ging man daran, die Fasern von dem Holzstängel zu trennen.
Dies geschah auf mehrfache Weise.
Zuerst musste der Stängel gebrochen werden.
Auf der "Breeke" (Breche), einem Gerät mit mehreren ineinander schlagenden Holzleisten,
wurden die dazwischen gehaltenen Flachsstängel gebrochen, so dass ein großer Teil von den
Fasern abfiel (Anfang des 20.Jahrh.).
Wurde diese Arbeit schon von ineinandergreifenden Walzen gemacht, die so ähnlich gebaut waren
wie bei einer Wäschemangel.
Die abfallenden holzigen Stängelteilchen nannte man " Schewe".
Sie wurde von den Maurern als Zusatz zum Lehmputz gebraucht und zu diesem Zwecke sogar bis
nach Göttingen gefahren.
Die Flachsfasern mussten nun noch weiter gereinigt werden.
Zunächst benutzte man das sogenannte "Schwinbrett".
Das war ein hochstehendes Brett mit einem Ausschnitt die in dem Ausschnitt gelegte Handvoll
Flachs wurde mit einem anderen Brett hochkantig geschlagen, so dass nun fast alles Holzige abfiel.
Damit waren die Flachsfasern aber noch nicht spinnfertig.
Dazu mussten sie noch durch die verschiedenen "Hecheln" gezogen werden.
Die Hechel war ein 20 x 20 cm großes, 8 cm hohes Holzstück, auf dem dicht an dicht 10 - 12 cm
lange, ganz spitze Stahlstangen hoch standen.
Durch diese Hecheltinnen wurde eine Handvoll Flachs so lange gezogen, bis alle kurzen und quer
liegenden Fäden in dem Spitzengewirr hängen blieben und die Hand nur noch gleichmäßig lange glatt
nebeneinander liegende Fäden hielt.
Diese Arbeit musste zweimal gemacht werden.
Erst auf der groben, dann auf der Feinhechel.
Der Abfall bei der ersten Arbeit, war die Grobhede.
Bei der Zweiten die Feinhede.
Aus der Grobhede machten die Seiler Stricke und Taue.
Die Feinhede wurde zum verspinnen und zum Weben von Sackleinen und Handtüchern gebraucht.
Der Flachs war nun spinnfertig.
In Bündeln zusammengedreht wurde er in Koffern aufbewahrt, um ihn vor Mäusen zu schützen.
Gesponnen wurde meist im Winter, wenn die Feldarbeit fertig war.
Die Hausarbeit wurde schnell fertig gemacht.
Dann setzten sich die Frauen an das Spinnrad.
Um eine 80 cm lange, gedrehte Stange, die auf dem unteren Drittel einen 5 cm vorstehenden
Kranz hatte, wurde der Flachs zu der "Flaßdeiiße" gedreht, so dass der obere Teil spitz auslief,
während der Wickel unten 25 - 30 cm breit war.
Durch diese fachmännischen Vorbereitungen lagen die langen Flachsfäden von oben nach unten glatt
nebeneinander und konnten auf diese Weise beim Spinnen leicht mit der Hand ausgezogen
und durch die Drehung der Spindel zum Faden gedreht werden.
Nun kam es auf die Kunst der Spinnerin an, durch starkes Ausziehen und langsame Drehung
einen starken und weichen Faden oder durch dünnes Ausziehen und schnelle Drehung einen
dünnen und doch starken Faden zu spinnen.
War die Spindel voll Garn, wurde sie vom Rag genommen und der Faden auf den Haspel gedreht.
Nach 90 Umdrehungen wurde ein kleiner Holzhammer ausgelöst.
Der zeigte an, dass ein "Bind" voll sei.
Ein Querfaden trennte nun jedes Bind von dem nächsten, ohne den Faden abzureißen.
12 Binde waren ein "Lopp".
Das waren die Maße für die Spinner und auch für den Weber.
Um an den langen Winterabenden das Müdewerden am Spinnrad zu verhindern, gingen die Spinnerinnen,
Frauen sowohl wie Mädchen zu 6 oder 7 Personen in die "Spinnstube" und zwar reihum.
Die Spinnerinnen saßen in der Stube im Kreis, um die in der Mitte von der Decke hängende Lampe,
so dass jeder Licht hatte.
Wenn meine Mutter an der Reihe war, hieß es: " Heute Abend kommen die Frauen".
Dann wurde frühzeitig die Stallarbeit erledigt und schnell zu Abend gegessen,
denn um 6 Uhr kamen schon die Spinnerinnen herein.
Sie blieben bis l0 Uhr dauernd spinnend, zusammen.
Nach Neujahr wurde eine kleine Kaffeepause eingelegt, in der das selbst gebackene Weißbrot
gut schmeckte.
Die schulentlassenen Mädchen gingen im nächsten Winter auch in ihrem "Spinnetropp",
so wie sie sich nach ihrer Arbeit zusammengefunden hatten.
In den meisten Fällen blieb dieser Tropp bis zur Verheiratung zusammen.
In die Spinnstuben der jungen Mädchen kamen zwischen 8 und 9 Uhr auch die jungen Burschen.
Da wurde viel gesungen.
Alle die alten Volkslieder blieben auf diese Weise Mädchen wie auch Burschen meist bis
ins Alter im Gedächtnis.
Aber wehe, wenn sich einer vergangen hatte!
Er wurde scharf verurteilt, in den meisten Fällen aus dem "Tropp" ausgestoßen.
Es war für ein junges Mädchen eine Schande wenn es hieß: "Die haben sie ausgestoßen."
In diesem Zusammenhang habe ich, Georg Riemenschneider, es selbst erlebt, dass sich während
eines solchen Zusammenseins in der Spinnstube, die jungen Menschen kennenlernten und auch
beurteilen, so dass die spätere Heirat nie ein Missgriff war.
Bis 1914 habe ich von einer Ehescheidung nie etwas gehört.
War das Spinnen die Arbeit der Frauen so war das Weben die Arbeit der Männer.
In jedem Bauernhause stand ein Webstuhle und jeder Bauer konnte weben.
Aber auch Bauhandwerker, die im Winter keinen Verdienst hatten, webten dann, entweder für
sich oder auf fremde Rechnung.
So webte mein Vater, der Maurer war, bei den Bauern im Hause.
Er bekam volle Kost und pro Tag 2 Mark Lohn in einer Zeit, als der Maurer bei l0 Stunden
Arbeitszeit 3 Mark verdiente.
Die Bauern brauchten viel Webwaren, da die Dienstmädchen zu ihrem Barlohn auch Leinewand für
die Aussteuer erhielten.
Außer dem Barlohn erhielten die Dienstmädchen als Deputat eineinhalb Stiegen Leinen zu
Leib - und Bettwäsche und eine halbe Stiege buntegewürfeltes Leinen zu Bettbezügen,
5 Ellen Beiderwand zu Winterkleidung und graues Leinen zu einer Sommerbluse.
Außerdem ein Paar Arbeitsschuhe und Lederpantoffeln.
Wenn ein Mädchen bis zu ihrer Verheiratung 6 - 8 Jahre so sein Deputat erhalten hatte,
war der Anfang zur Ehe an Leinen zu Bett- und Leibwäsche für viele Jahre vorhanden.
Sollte im Winter mit dem Weben begonnen werden, musste erst das Garn,
das zur Kette bestimmt war, auf Holzrollen gedreht werden.
Diese waren 30 cm lang und l0 cm dick.
Die Drechsler hatten an beiden Enden etwa 20 cm breite Kanten stehen lassen.
Dazwischen wurde auf der Drehbank das Holz so weit entfernt, daß zwischen beiden Enden nur eine
3 bis 4 cm starke Verbindung blieb.
In dieses wurde ein Loch gebohrt, so dass die Stangen wie ein Rad drehbar waren.
Auf diese Rollen, plattdeutsch "Peiipen" genannt, wurde auf dem Spulrad das Garn gedreht.
Das Garn, immer ein "Lopp", also immer eine Menge von 12 Bind, wurden auf eine drehbare Winde
gelegt, der Anfangsfaden um die Rollen, das Spulrad mit der rechten Hand gedreht und so
der Faden von der Winde auf die Rolle gebracht.
Vorher war ausgerechnet worden, wie viel Lopp und Bind man auf eine Rolle brauchte.
Zu einer Stiege Leinen, 80 cm breit wie es zu Leib- und Bettwäsche gebraucht wurde,
waren 8 Lopp Schiergarn, zum Unterschied von dem weichen Schußgarn so genannt, nötig.
Sollten also, wie üblich 6 Stiegen gewebt werden, mussten 48 Lopp Garn auf die 20 Rollen gedreht
werden.
War das fertig, musste das Garn von den Rollen um den Schierrahmen gedreht werden.
Dazu wurden die Konen in einen Holzrahmen gesteckt, so dass 10 übereinander und 2
nebeneinander auf dünnen Eichenstangen drehbar waren.
Dieses Gestell wurde an der Wand etwas hochgestellt.
Der in der Mitte der Stube aufgestellte Schierrahmen war ein 2,5m hohes Holzgestell,
das, wenn es aufgestellt war, einen Umfang von 5 Ellen hatte.
Viermal um den Rahmen waren 20 Ellen, also eine Stige.
Das waren nach Metermaß 11,60 Meter.
Wollte man 6 Stiegen weben, mussten die Fäden also 24- mal um den Rahmen laufen.
Man nahm die 20 Fäden in die rechte Hand, hing sie oben an einen dazu vorstehenden Pflock
und drehte mit der linken Hand den Schierrahmen, dabei darauf achtend,
dass die Läden in einem solchen Abstand auf dem nahmen lagen, dass man nach 24maliger
Umdrehung unten auf dem Rahmen ankam.
Nun wurde wieder an einen Pflock fest gehängt und rückwärts gedreht,
dabei die Fäden genau auf die vorigen gelegt.
War man oben, so hatte man 40 Fäden.
Das war ein "Ging" oder "Gang".
Zu dem üblichen Leinen 80 cm breit brauchte man 34 Ging, also 34- mal 40 Fäden.
Also 34- mal mussten die 40 Fäden auf dem Rahmen liegen, damit es genug waren.
Jetzt wurden die Enden oben und unten zusammengebunden und abgenommen.
Dabei wurde das Garn wie eine Kette durcheinander gezogen, damit kein Wirrwarr entstand.
Der Webstuhl, plattdeutsch "Werketave", war aus starken Eichenbohlen gebaut,
die beiden Längsseiten 2 m lang, am Sitzende 2 m hoch, am anderen Ende 1,50 m hoch.
Die 4 Querverbindungen wurden mit dem Zapfen in die Längsseiten geschoben und fest verkeilt.
Die Eichenbohlen hatten eine Breite von 30 bis 40 cm Dicke.
An den kurzen Enden der Längsseiten war ein 18 cm dickes Rundholz auf 1,20 m von
unten eingelegten “de Garnnbohm", weil das Kettengarn auf diesen Garnbaum gedreht wurde.
Beim Aufdrehen mussten je 10 Fäden des Garns in derselben Reihenfolge, wie sie auf dem
Schierrahmen gelegt waren, in einem breiten Kamm gelegt werden, der von dem Weber so gehalten
wurde, dass alle Fäden gleichmäßig und fest auf dem Garnbaum lagen.
Nun wurde das Webgeschirr aufgehängt, so dass es in der Mitte des Webstuhles hing.
War das Webgeschirr schon einmal gebraucht, so befand sich noch der letzte Rest des alten
Kettengarnes darin, an die nun die neuen Fäden angedreht wurden.
An den beiden Teilen des Webegeschirres hingen unten 2 Tretbretter, durch deren Auf- und
Niedertreten auch ein Teil des Webgeschirres mit den Fäden auf- und nieder gezogen wurde.
Zwischen die hierdurch entstandene Öffnung zwischen den Kettenfäden wurde nun der Querfaden
gezogen.
Dazu brauchte man die "schospaule". Das war ein etwa 50 cm langes und 4- mal - 15 cm
starkes Stück Holz dessen beiden Enden rund zugespitzt waren.
In der Mitte befand sich eine 10 cm lange und 5 mal 15 cm tiefe Öffnung, in welche die Spulen
mit den Querfäden eingespannt wurden.
Mit der rechten Hand warf man die "Schottspaule" oder Weberschiffchen,
wie es auf hochdeutsch heißt, die Öffnung zwischen den Kettenfäden nach links,
wo es mit der linken Hand aufgefangen wurde.
Sofort trat das rechte Bein nach unten.
Damit ging der vordere Teil des Webegeschirres mit dem Kettengarn hoch das hintere nach unten,
so dass vor dem Querfaden ein Kreuz entstand.
Nun schlug die rechte Hand mit der Kammlade
gegen den Querfaden um ihn zusammenzudrücken.
Nun warf die linke Hand das Schiffchen nach rechts und so wiederholte sich es unentwegt.
Das aus Flachs gesponnene Kettengarn wurde vor dem weben auf dem Webstuhl mit einer aus
gekochtem Roggenmehl hergestellten Brühe widerstandsfähiger gegen Reißen und Fasern gemacht.
War etwa 10 cm Stoff fertig, so wurde durch Lösen eines Widerstandes das Kettengarn vorgezogen,
das fertige Stück um eine unten in der Mitte befindliche Rolle gedreht, so dass das Garn immer
die richtige Spannung hatte.
So waren beim Weben Arme und Deine zugleich in dauernder Tätigkeit, und die Augen hatten alles
genau zu beobachten, dass das Garn nicht riss, dass keine Fehler entstanden.
Die Spulen zu dem Weberschiffchen wurden auf dem Spulrad von größeren Kindern oder den alten
Angehörigen gedreht.
Da gab es oft Ärger, wenn das Garn auf der Winde nicht ablaufen wollte, weil es
durcheinandergeraten war.
Nur Geduld konnte dann helfen.
Nach 1900 etwa wurde zum Kettengarn fast immer Baumwollgarn genommen.
Es war elastischer, riss selten und brauchte nicht wie das Leinengarn durch Mehlkleister
Widerstandsfähiger gemacht werden.
Zum fertigen Weben der 6 Stiegen, also 120 Ellen oder 70 m brauchte man etwa 12 Arbeitstage
zu je 10 Arbeitsstunden.
Das fertige Leinen wurde in Längen von 18 m abgeschnitten und zusammengelegt.
Es war zum Bleichen fertig.
Außer diesem Leinen, wie es zu Leib- und Bettwäsche gebraucht wurde, webte man zu
Bettbezügen auch blau- und rotkariertes Leinen, bei dem der Weber die Querfäden genau zählen
musste, damit die Karos gleichmäßig wurden.
Zur Arbeitskleidung webte man den Stoff 1 m breit, dazu wurde das Kettengarn blau gefärbt.
Auch das Garn zu den Querfäden wurde gefärbt, wenn der Stoff ganz blau werden sollte,
z.B. zu Kitteln und Hosen für Männer und Schürzen; gestreift wurde er auch zu Sommerkleidern
verwandt.
Für die Winterkleidung wurde zu den Querfäden Wollgarn gesponnen.
Dazu verwandte man die kurze und schlechte Wolle, die beim Kämmen zu Strumpfgarn abgefallen war.
Dieser aus halb Wolle und halb Leinen bestehende Stoff "Beiderwand“ genannt, war eine
Winterkleidung, die dem Körper warm hielt und lange getragen werden konnte.
Das Leinen zu Handtüchern war nur 50 cm breit und das Leinen zu Säcken und Planen 58 cm.
So wurde früher der für den Hausgebrauch nötige Leinen oder Wollstoff im
eigenen Hause hergestellt.
Bevor nun aus dem Leinen die Wäsche genäht wurde, musste es noch gebleicht werden.
Dazu wurde in einem großen Kessel Lauge aus reiner Buchenasche hergestellt.
In dieser Lauge wurde das Leinen gekocht, geboikt (geschlagen) und auf der abgeernteten
Wiese zum Bleichen aus gespannt.
War es von der Sonne getrocknet, musste es anfangs mit der Gießkelle später mit der Gießkanne
angefeuchtet werden.
Dadurch wurde es nach und nach weißer.
Um Diebstähle zu verhindern, schlief in einer kleinen Hütte bei der Bleiche ein Mann mit
einem Wachhund.
Das habe ich selbst in jungen Jahren oft genug getan.
Da es früher hier in der Gegend nur wenig Verdienstmöglichkeiten gab,
wurde das vielfach selbst hergestellt und nicht benötigte Leinen verkauft.
Um die Verkäufer vor Übervorteilung zu schützen ‚und andererseits dem Käufer gute Ware zu
garantieren errichtete die Regierung 1777 in Uslar eine Leinenkontrollstelle,
eine sogenannte "Legge" ein, deren langjähriger Meister viele Jahre lang Wilhelm
Heepe gewesen ist.
Auch die 1829 von der Regierung eingerichtete Musterbleiche in Sohlingen hatte die Aufgabe,
den Sollingbewohnern bei der Herstellung einer guten Verkaufsware behilflich zu sein,
damit der Handel gefördert würde.